Chemisches Recycling: Senkung von Treibhausgasemissionen und der Ausbeutung fossiler Ressourcen

Waste plastic | Neste

Neste hat eine Ökobilanz (Life cycle assessment, LCA) (1) für das chemische Recycling als Bestandteil der Wertschöpfungskette von Kunststoffen erstellt. In dieser Studie wurde der Ansatz von Neste beim chemischen Recycling simuliert, bei dem die Verflüssigung von Kunststoffabfall (z. B. durch Pyrolyse) mit der Veredelung in der Raffinerie kombiniert wird, um Drop-in-Rohstoffe für die Produktion neuer Polymere herzustellen.

Das Ergebnis der Ökobilanz: Die Treibhausgasemissionen und der Einsatz neuer fossiler Ressourcen können erheblich reduziert werden, wenn chemisches Recycling in die Kunststoff-Wertschöpfungsketten integriert wird, um die Verbrennung von Kunststoffabfällen zu vermeiden und fossile Rohstoffe in der Produktion von Polymeren durch recycelte Rohstoffe zu ersetzen.

LCA mit mehreren Perspektiven

Die Studie verfolgte mehrere Ansätze, hierunter auch ein Szenario, in dem das chemische Recycling ein wesentlicher Bestandteil einer Kreislaufwirtschaft für Polymere ist und einen neuen Blickwinkel für die Diskussion über die Technologie eröffnet. Diese Studie liefert Erkenntnisse über die Vorteile, die eindeutig dem chemischen Recycling zugeordnet werden können, sowie handfeste und messbare Daten, um die positiven Auswirkungen der Technologie zu beziffern. Die LCA-Studie von Neste umfasst drei Ansätze: 

  • eine abfallwirtschaftliche Perspektive, die das chemische Recycling als Alternative zur Verbrennung von Kunststoffabfällen betrachtet, 

  • eine Produktionsperspektive, die das chemische Recycling als Alternative für die Produktion von neuen fossilen Ausgangsstoffen für die Kunststoffproduktion sieht, und 

  • eine Perspektive, die das chemische Recycling innerhalb einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe betrachtet.

Die LCA betrachtet zwei Zeithorizonte: den kurzfristigen (2023) und auch den langfristigen (2030) Zeithorizont. Diese Zeithorizonte berücksichtigen Hintergrundfaktoren wie den Strommix oder steigende Kapazitäten für das chemische Recycling. Unabhängig vom Ansatz und Zeithorizont belegen die Ergebnisse der LCA deutlich verringerte THG-Emissionen und eine geringere Ausbeutung fossiler Ressourcen im Vergleich zu dem Szenario, in dem das chemische Recycling nicht als Lösung genutzt wurde. Bei den Ansätzen #1 und #2 handelt es sich beim Kunststoffabfall, der als Rohstoff in der Wertschöpfungskette angenommen wurde, um Verbraucherabfälle, die mechanisch schwer zu recyceln sind und normalerweise in der Verbrennung enden würden (z. B. Folien- und gemischte Kunststoffabfälle). Ansatz #3 betrachtet den gesamten Lebenszyklus von Polypropylen und Polyethylen niedriger Dichte und berücksichtigt diese als Input anstelle von Folien und Mischkunststoffen. Zusätzlich zu diesen drei Ansätzen wurden in der LCA-Studie auch die Handabdrücke des chemischen Recyclings hinsichtlich CO2 und fossilen Ressourcen bewertet.

Abfallwirtschaftliche Perspektive

Im ersten Ansatz betrachtet die Studie das chemische Recycling als Alternative zur Verbrennung von Kunststoffabfall zur Energiegewinnung (thermische Verwertung), die derzeit in Europa die häufigste Verwertung von Plastikmüll darstellt2. Die für das chemische Recycling berücksichtigten Prozessschritte umfassen die Vorbehandlung (Entfernung ungeeigneter Materialien wie Papier, PVC und Feuchtigkeit aus einem Abfallstrom des mechanischen Recyclings), die Verflüssigung sowie die Aufwertung und Veredelung von Kunststoffabfall zu einem petrochemischem Drop-in-Rohstoff. In diesem Fall ist mit dem chemischen Recycling eine Senkung der THG-Emissionen um mindestens 50 % (2023) bzw. 60 % (2030) möglich. Die Studie zeigt außerdem, dass die Ausbeutung fossiler Ressourcen um mindestens 75 % bzw. 140 %3 reduziert wird, wenn Kunststoffabfall chemisch recycelt anstatt verbrannt wird.

The waste treatment perspective graphic | Neste

Perspektive der Kunststoffproduktion

Bei der Betrachtung des chemischen Recyclings als Mittel zur Herstellung von Rohstoffen für die Kunststoffproduktion berücksichtigt die Studie zusätzlich zu den Prozessschritten aus Ansatz 1 die folgenden Schritte: das Sammeln und Sortieren von Kunststoffabfall, die Verwendung des aus Kunststoffabfall hergestellten petrochemischen Rohstoffs in einem Steamcracker und die anschließende Polymerisation zu Polypropylen. 

Im Vergleich zur Herstellung von neuem fossilem Naphtha und dem anschließenden Steamcracken und Polymerisieren zu Polypropylen ermöglicht das chemische Recycling eine Senkung der THG-Emissionen um mindestens 60 % (2023) bzw. 110 % (2030)3. Ein anderes Ergebnis der Analyse ist, dass die Ausbeutung fossiler Ressourcen um mindestens 30 % bzw. 40 % reduziert wird, wenn zur Herstellung des Polypropylens chemisch recycelter Kunststoffabfall anstelle von fossilem Naphtha eingesetzt wird.

The plastics production perspective graphic | Neste

Perspektive der Kreislaufwirtschaft 

Zuletzt betrachtet die Studie das chemische Recycling aus der Perspektive einer komplett zirkulären Wertschöpfungskette für Kunststoffe: das chemische Recycling von Kunststoffabfällen, die Herstellung von Kunststoffen aus recycelten Rohstoffen und die Nutzung des Kunststoffabfalls als Beginn der neuen Wertschöpfungskette bzw. des neuen Kreislaufs. Dies wird mit der heutigen linearen Wertschöpfungskette verglichen, die mit der Produktion von Rohstoffen aus fossilen Quellen wie Naphtha beginnt und mit der Verbrennung von Kunststoffabfällen endet. 

Da die vollständige Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe ein Zukunftsmodell ist, betrachtet dieser Ansatz nur das Szenario 2030. Bei diesem Ansatz können die THG-Emissionen durch das chemische Recycling um mindestens 35 %  gesenkt werden, während die Ausbeutung fossiler Ressourcen um mindestens 35 % verringert wird. 

Diese Perspektive beinhaltet die Annahme, dass nicht alle Kunststoffe aus chemisch recyceltem Rohstoff hergestellt werden. Aufgrund verschiedener Sortier- und Verarbeitungsverluste wird davon ausgegangen, dass etwa 55 % der Kunststoffe aus chemisch recycelten Rohstoffen hergestellt werden können, während für den Rest neue Rohstoffe auf Basis fossiler Ressourcen in der Produktion eingesetzt werden müssen. 

Um einen weiteren Trend in der Kunststoffproduktion – den zunehmenden Einsatz erneuerbarer Rohstoffe – zu berücksichtigen, betrachtet die Studie auch ein Szenario, in dem diese Rohstoffe nicht aus fossilen Ressourcen stammen, sondern aus erneuerbaren Abfällen und Reststoffen hergestellt werden. In diesem Fall werden die THG-Emissionen um mindestens 60% und die Ausbeutung der fossilen Ressourcen um mindestens 80 % gesenkt.

The circularity perspective graphic | Neste

CO2-Handabdruck und Verbrauch fossiler Ressourcen beim chemischen Recycling

Der CO2-Handabdruck in der Ökobilanz veranschaulicht den Vorteil in Sachen Klimaschutz, der durch chemisches Recycling erzielt werden kann, im Vergleich zu dem derzeit üblichen Szenario, bei dem Polypropylen oder petrochemische Rohstoffe aus neuen fossilen Rohstoffen hergestellt und Kunststoffabfälle verbrannt werden. Die Berechnung wurde für das Szenario 2023 für die Herstellung von fossilen petrochemischen Rohstoffen und von Polypropylen sowie für die Behandlung von Kunststoffabfall durchgeführt. Bei der Berechnung des CO2-Handabdrucks wird der Fußabdruck des chemischen Recyclings in Bezug auf Kohlenstoff und fossile Ressourcen vom Fußabdruck des Referenzsystems abgezogen. Er umfasst damit die Produktion von petrochemischen Rohstoffen und Polypropylen sowie die Verbrennung von Kunststoffabfällen.

Der CO2-Handabdruck von Polypropylen, das aus chemisch recyceltem Kunststoffabfall hergestellt wird, beträgt etwa 1 Tonne CO2-Äquivalent pro produzierter Tonne Polypropylen, was einer Verkleinerung des CO2-Fußabdrucks um 28 % gegenüber dem derzeitigen Szenario entspricht. Der Verbrauch fossiler Ressourcen könnte um 66 % bzw. 25 Gigajoule pro Tonne reduziert werden. Der CO2-Handabdruck von petrochemischen Rohstoffen, die aus chemisch recyceltem Kunststoffabfall hergestellt werden, beträgt etwa 0,9 Tonnen CO2-Äquivalent pro produzierter Tonne Polypropylen, was einer Verringerung des CO2-Fußabdrucks um 39 % gegenüber dem derzeitigen Szenario entspricht. Der Verbrauch fossiler Ressourcen könnte um 72 % bzw. 19 Gigajoule pro Tonne reduziert werden.

Carbon and fossil resource handprint of chemical recycling graphic | Neste

Das chemische Recycling kann eine wichtige Rolle bei der Transformation der Kunststoffindustrie spielen

Die Ergebnisse der LCA-Studie zeigen, dass das Recycling von Kunststoffabfällen zwar mehrere Verarbeitungsschritte erfordert, die Technologie jedoch eine deutliche Reduzierung der THG-Emissionen und des Verbrauchs fossiler Ressourcen in den Wertschöpfungsketten für Kunststoffe ermöglicht und gut geeignet ist, um als zusätzliche Lösung das herkömmliche mechanische Recycling von Kunststoffen zu ergänzen. Auch wenn das chemische Recycling bereits heute in kleinerem Maßstab verfügbar ist, zeigen die Ergebnisse für die Szenarien für 2030 auch, dass die Senkung der THG-Emissionen und des Verbrauchs fossiler Ressourcen mit dieser Technologie in Zukunft weiter ausgebaut werden kann. Nach Meinung von Neste bestätigen die verschiedenen Ansätze in unserer LCA-Studie, dass das chemische Recycling im Vergleich zum Status quo tatsächlich mehrere positive Effekte haben kann. Neste möchte außerdem mit dieser Studie und ihren Ergebnissen eine Grundlage für einen konstruktiven Dialog auch mit denjenigen schaffen, die dem chemischen Recycling derzeit kritisch gegenüberstehen. 

1) Ökobilanz für das chemische Recycling von Kunststoffabfall – Fall Neste (Oktober 2022).

2) PlasticsEurope: Plastics - the Facts 2022 (Oktober 2022).

3) Bei Reduktionen von mehr als 100 % sind die Werte für die Treibhausgasemissionen oder die Ausbeutung fossiler Ressourcen nicht nur niedriger als ihr Vergleichswert, sondern auch negativ.

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