Transport
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Die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs durch erneuerbare Kraftstoffe ist das Gebot der Stunde
Bagger. Erntemaschinen. Fernverkehrs-Lkw. Maschinen für den Materialumschlag. Dies sind nur einige Beispiele für Fahrzeuge, die Zugang zu dem ermöglichen, was Menschen weltweit zur Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse benötigen - also etwa Nahrung, Wasser und Wohnraum. Fahrzeuge dieser Art stützen die globale Wirtschaft und werden von Jahr zu Jahr stärker nachgefragt. Parallel dazu steigt auch der Bedarf an Dieselkraftstoff, der in den meisten Fällen die Motoren antreibt.
Es ist kein Geheimnis, dass wir in hohem Maße auf diese dieselbetriebenen Fahrzeuge und Maschinen angewiesen sind. Sie pflügen Felder, verteilen Waren, beseitigen Müll und werden beim Hausbau eingesetzt. Aufgrund der von ihnen verursachten Emissionen stellen sie jedoch auch eine ernsthafte Herausforderung für die Nachhaltigkeitsziele von Unternehmen, Staaten und der gesamten Welt dar.
Mit Blick auf die Zukunft und den Weg zu Netto-Null-Emissionen liegen zwei Dinge auf der Hand: Auf absehbare Zeit werden Verbrennungsmotoren weiterhin in vielerlei Hinsicht eine wichtige Rolle in der Industrie weltweit spielen. Die einzige Möglichkeit, unsere Klimaziele zu erreichen, besteht darin, die Lebenszyklusemissionen dieser Motoren zu reduzieren, indem sie mit erneuerbaren Kraftstoffen betrieben werden.
Nachfrage steigernde Faktoren
Bis 2040 wird die Weltbevölkerung voraussichtlich um 1,4 Milliarden Menschen anwachsen1 und die Anzahl der Stadtbewohner wird um 1,6 Milliarden steigen2. Infolgedessen werden der Primärenergiebedarf um 20 %3 und das Abfallaufkommen um 40 %4 zunehmen. Zu diesem Zeitpunkt wird sich die Mittelschicht um mehr als 30 %5 vergrößert haben.
Diese Megatrends werden dazu führen, dass viele Industriezweige, die auf schwere Nutzfahrzeuge angewiesen sind - darunter die Landwirtschaft, das Baugewerbe, der Bergbau, der Güterverkehr und die Abfallwirtschaft - ihre Aktivitäten verstärken müssen. Die Kategorie der schweren Nutzfahrzeuge umfasst alle Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 11.793 kg (26.000 lb), darunter Linienbusse, Entsorgungsfahrzeuge, Mobilkräne, Zementmischer und viele andere.
Warum erneuerbare Kraftstoffe?
Einige Verkehrsträger werden durch Technologien wie Elektrifizierung und erneuerbare Energien revolutioniert. Andere wiederum sind derzeit nicht in der Lage, diese Lösungen in großem Umfang zu nutzen. Dies gilt vor allem für den Schwerlastbereich, wo eine Reihe von Faktoren wie die fehlende Infrastruktur, die Skalierbarkeit der Produktion und das Problem der Energiedichte eine Rolle spielen. Die Elektrifizierung von Schwerlastfahrzeugen bzw. -maschinen ist Gegenstand weiterer Forschung, aber die meisten schweren Nutzfahrzeuge werden noch viele Jahre lang mit flüssigem Kraftstoff betrieben werden. Nach einem Jahrzehnt starken Wachstums fahren heute mehr als 10 Millionen Fahrzeuge mit Strom, aber selbst wenn diese Zahl bis 2040 auf über 600 Millionen ansteigen würde, bräuchten die meisten Fahrzeuge auf den Straßen (laut Weltwirtschaftsforum bis zu zwei Milliarden) immer noch flüssigen Kraftstoff, ebenso wie viele Flugzeuge, Schiffe und andere schwere Maschinen. Flüssige Kraftstoffe sind jedoch nicht alle gleich, und es besteht die große Chance, dass aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellte Kraftstoffe die Nachfrage nach fossilen Kraftstoffen verdrängen können. Der weltweite Bedarf des Verkehrssektors an flüssigen Kraftstoffen bis 2040 wird auf 2.800 Mio. t RÖE (Millionen Tonnen Öläquivalent) geschätzt. Hiervon könnten jedoch mehr als 1.000 Mio. t RÖE durch erneuerbare Kraftstoffe ersetzt werden. Diese Zahl könnte noch steigen, wenn weitere Rohstoffquellen besser verstanden und genutzt werden. Die Bedeutung einer stärkeren Nutzung erneuerbarer Brennstoffe kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Erneuerbarer Diesel, der zu 100 % aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt wird, führt im Vergleich zu fossilem Diesel zu einer Emissionsreduzierung von 75-95 %*. Das bedeutet, dass ein Dieselfahrzeug, das mit erneuerbarem Kraftstoff aus Abfällen und Reststoffen betrieben wird, über seinen Lebenszyklus hinweg ähnlich viel CO2 einspart wie ein Elektrofahrzeug desselben Typs, das mit 100 % erneuerbarem Strom betrieben wird. Erstausrüster wie Volvo und Scania setzen aus der Notwendigkeit heraus auf erneuerbare Kraftstoffe. Beide Unternehmen haben sich den Zielen der Science Based Targets Initiative (SBTi) verpflichtet, und um diese zu erreichen, müssen Lösungen genutzt werden, die sofort verfügbar sind. Ebenso haben sich alle Hersteller von mittelschweren und schweren Lkw in Europa verpflichtet, bis 2040 nur noch Lkw zu verkaufen, die mit fossilfreien Kraftstoffen betrieben werden. Hiermit haben sie die Grundlage für eine stark steigende Nachfrage nach erneuerbarem Diesel auf dem Kontinent gelegt.
„Erneuerbare Kraftstoffe sind ein wichtiger Bestandteil von Scanias Roadmap auf dem Weg zur Dekarbonisierung. Scania verfügt am Markt über das größte Portfolio an Motoren, die mit alternativen Kraftstoffen betrieben werden können. Alle Scania-Dieselfahrzeuge können ohne jegliche Modifikationen oder Einschränkungen mit HVO100 betankt werden", bestätigt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Leiter Vertrieb und Marketing, Stefano Fedel. Im Gegensatz zu skalierbaren Elektro- und Wasserstoff-Antriebslösungen sowie anderen potenziellen Lösungen der Zukunft kann erneuerbarer Diesel den Schwerlastverkehr schon heute revolutionieren – und er erfordert keine Änderungen an der Infrastruktur oder am Motor. Unternehmen und andere große Kraftstoffverbraucher, die auf erneuerbaren Diesel umsteigen, können die Investitionen in ihren Fuhrpark schützen und dabei gleichzeitig ihre Emissionen reduzieren und positive Maßnahmen zur Erreichung der Klima- und Nachhaltigkeitsziele ergreifen.
Den Wandel durch Partnerschaften vorantreiben
Neste ist der weltweit größte Hersteller von erneuerbarem Diesel und hat sich verpflichtet, seine Kunden dabei zu unterstützen, die Treibhausgas (THG)-Emissionen bis 2030 um mindestens 20 Millionen Tonnen jährlich zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, strebt das Unternehmen eine ehrgeizige Zusammenarbeit mit OEMs (Erstausrüstern) an, um einen besseren Zugang zu Technologien zu erreichen, die Emissionsreduzierung auf breiter Basis ermöglichen. Neben dem Vertrieb und der Verwendung von erneuerbarem Diesel gibt es weitere Beispiele für gemeinsame Projekte von Neste und OEMs:
- die Entwicklung von technischen Lösungen für den Nachweis, dass Fahrzeuge mit erneuerbaren Kraftstoffen betrieben werden - die Weitergabe von Nachhaltigkeitsdaten an Endkunden - die Integration von Tankstellen, die erneuerbare Kraftstoffe anbieten, in GPS-Flottenmanagementsysteme.
Liebherr, ein weltweit führender Kranhersteller, ist einer der OEMs, die sich für eine Partnerschaft mit Neste entschieden haben. Das Unternehmen verwendet seit 2021 Neste MY Renewable Diesel™ zum Antrieb von Mobil- und Raupenkränen in seinem Werk in Ehingen. 2022 wurde der Einsatz des Kraftstoffs auf das Werk in Kirchdorf ausgeweitet, wo jährlich etwa 2.500 Maschinen hergestellt werden.
„Durch die Umstellung auf Neste MY Renewable Diesel können wir pro Jahr 2,5 Millionen Liter fossilen Diesel einsparen. Das wird zu einer jährlichen Reduktion von rund 6.500 Tonnen CO2 führen“, so der Produktionsleiter der Liebherr-Werk Ehingen GmbH, Ulrich Heusel.
2016 waren Volvo Trucks North America und Mack Trucks, Inc. (beide Teil der Volvo Group) die ersten beiden OEMs, die sich zur Verwendung von erneuerbarem Diesel in ihren Schwerlastfahrzeugen verpflichteten. Beide Unternehmen haben den von Neste entwickelten erneuerbaren Dieselkraftstoff unabhängig voneinander getestet und daraufhin seine Verwendung für alle ihre Motoren freigegeben. Volvo arbeitet seitdem mit Neste zusammen, um Lösungen für die breite Palette der von Volvo hergestellten Produkte zu finden, darunter Volvo Trucks, Volvo Bus, Volvo Penta und Volvo Powertrain. Frank Bio, ehemaliger Leiter der Vertriebsentwicklung und der Abteilungen Sonderfahrzeuge und Alternative Kraftstoffe, erläuterte die Bedeutung des Umweltschutzes aus der Sicht von Volvo: „Die Ingenieure richten sich bei ihren Entwürfen nach den Umweltschutzzielen, die Produktion baut danach und der Einkauf wählt danach die Lieferanten aus.“
Liebherr und die Volvo-Gruppe sind indes lange nicht die einzigen OEMs, die auf erneuerbaren Diesel setzen. Während Elektrifizierung und andere Lösungen auf lange Sicht zweifellos von großer Bedeutung sein werden, können erneuerbare Kraftstoffe die Nachhaltigkeitsperspektiven sofort verändern. Immer mehr Unternehmen erkennen dies. Da Investitionen die weitere Entwicklung fördern, Regierungen die Dekarbonisierung vorantreiben und die Dringlichkeit, den Klimawandel zu bekämpfen, zunimmt, werden erneuerbare Kraftstoffe zweifelsohne eine große Rolle bei der Umstellung des Transportsektors auf eine Kreislaufwirtschaft spielen.
Um die Klimaziele zu erreichen, ist eine Zusammenarbeit unverzichtbar und entscheidend. „Es gibt nicht den geringsten Zweifel daran, dass alle Lösungen benötigt werden, um fossile Brennstoffe zu ersetzen“, bekräftigt Mats Hultman, Leiter OEM-Partnerschaften von Neste. Quellen: 1&2: UN, 3: IEA Stated Policies Scenario, 4: Weltbank, 5: The Brookings Institution
* Der Prozentsatz, um den die THG-Emissionen reduziert werden können, variiert je nach den für eine Region geltenden Gesetzen, welche die Methode für die Berechnungen festlegen (z. B. die EU-Richtlinie für erneuerbare Energien II 2018/2001/EU und der Low-Carbon Fuel Standard (LCFS) des US-Bundesstaates Kalifornien), und je nach dem in der Produktion eingesetzten marktspezifischen Rohstoffmix.